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Freitag, 28. November 2014

DIRECTOR RUMORS

Nächste Woche „entscheidet“ eine Findungskommission über den neuen Direktor der dffb. „Entscheidet“ in Anführungszeichen, insofern die finale Abstimmung natürlich – Intransparenz oblige – vom dffb-Kuratorium unter Ausschluss der beiden Akademievertreter gefällt wird, die in der Findungskommission sitzen. Auf die zunächst zugesicherte Konsensentscheidung will man sich wohl doch nicht festlegen. Pikant auch, dass in derselben Sitzung neue Statuten verabschiedet werden könnten, die die Drittelparität an der dffb endgültig abschaffen würden (ein von Interims-Direktorin Edith Forster gegen alle Absprachen eigenmächtig verschickter, von Jan Schütte designter Entwurf liegt dem Kuratorium zur Abstimmung vor). Jedenfalls haben die kuratierenden Film(herab)wirtschafts-Granden unter dem Vorsitz von Senatskanzleichef Björn Böhning (u.a. Kirsten Niehuus / Medienboard, Claudia Tronnier / ZDF) eine doppelte Richtungsentscheidung zu treffen, die den deutschen Film auf lange Sicht zu prägen droht. Oder zumindest die dffb als letzten Ort eines möglichen ästhetischen Widerstands gegen den grassierenden filmdeutschen Stumpfsinn endgültig abschaffen könnte. Vielleicht treffen aber auch die Machiavellis der Kulturbürokratie mal eine unerwartet mutige Entscheidung gegen den reaktionären Zeitgeist? Vielleicht traut sich zumindest Björn Böhning ja doch, den tristen Wünschen einer bornierten Branche etwas entgegenzusetzen? Es spricht wenig dafür. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt!

Da die direkt Involvierten ihr Schweigegelübde leider all zu gewissenhaft befolgen, sind die Namen der Kandidaten nicht durchgedrungen (Man will sie diesmal geheimhalten - wohl, damit sich das Schütte-PR-Fiasko nicht wiederholt). Dennoch zirkulieren, natürlich, wilde Gerüchte. Diese haltlosen Spekulationen wollen wir dem geneigten Leser natürlich nicht vorenthalten. Hier die Top 10 in zufälliger Reihenfolge.

FRED KELEMEN – Regisseur und Kameramann von u.a. Béla Tarr. Hat als einziger seine Kandidatur öffentlich gemacht, als Doppelspitze mit dem Autor Oliver Czeslik. Zudem einziger aktuell an der dffb als Dozent aktiver Kandidat, der mit seiner Haltung (düster-romantischer Existenzialismus?) zwar durchaus polarisieren kann, aber sicherlich für einen interessanten und streitbaren Neuanfang stünde – auch wenn das zirkulierende Konzeptpapier noch sehr schwammig gehalten war (wir berichteten). Vielleicht wollte man aber auch das Kuratorium nicht mit radikalen Ideen verschrecken? Mut zur Umwälzung ist ihm jedenfalls zuzutrauen. Für die Herrschaften also wohl untragbar, weil zu lederjackig-widerspenstig.

WIM WENDERS – Wäre vor dreissig Jahren vielleicht ein spannender Kandidat gewesen, hat aber seither doch zu viele bieder-gefällige bis sehr schlechte Filme gedreht. Viellicht noch zu gut im Geschäft, um als wahrscheinlicher Kandidat zu gelten. Was dafür spricht: Wohnt in Berlin und hielt eine (Antritts-?) Rede bei der letzten Diplomverleihung. Und für das Standortmarketing, Kriterium Nummer 1 bei den Entscheidungsträgern, wohl der Top-Kandidat. Mit ihm könnte man auch weiterhin bestens Kitsch-Produktion als Autorenfilm verkaufen. Und er macht sich gut auf Partys.

THOMAS SCHADT – Abtrünniger Dffb-Absolvent. Das Pendeln nach Ludwigsburg, wo er momentan Direktor ist (no comment), soll ihm lästig werden. Hat dort allerdings gerade einen neuen Vertrag unterschrieben, von daher eher unwahrscheinlich. Könnte die Ludwigsburgisierung der dffb symbolisch wie praktisch vorantreiben wie kein zweiter. Als Dokumentarfilmer die traurige Anti-These zu Hartmut Bitomsky. Als möglicher Direktor ungefähr so populär wie seinerzeit Jan Schütte. Aus eben diesem Grunde sicher Top-Kandidat für das Kuratorium, falls er sich doch beworben haben sollte.

ALFRED HOLIGHAUS – Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie. Zeit für einen neuen Job? Der jetzige Posten ist allerdings auch nicht schlecht, von daher ist seine Kandidatur vielleicht nur heißer Branchentratsch? Jedenfalls: Horrorkandidat für die Akademie! Sicher jedoch Traumkandidat für die Förderbürokratie und die Fernsehfürstinnen. Steht spätestens seit der Gründung der Perspektive Deutsches Kino, der wohl unsäglichsten Sektion der Berlinale, für alles, was man im deutschen Gegenwartskino so unglaublich langweilig und reaktionär findet. Im Kuratorium sähe man ihn daher aber wohl leider als „Nachwuchsexperten“. Hat als Dramaturg Meilensteine der Filmgeschichte wie „Bang Boom Bang“ und „Comedian Harmonists“ mitverantwortet – wertvolle Praxiserfahrung für die Ausbildung öder Filmemacher. Somit der ideale Totengräber aller filmästhetischen Ambitionen. Zudem sicher bestens verfilzt!

SOPHIE MAINTIGNEUX – An der dffb hoffen viele auf eine zweite Kandidatur der immer noch legendären Ex-Kameradozentin. Heute Professorin an der KHM in Köln. Unterlag allerdings schon vor fünf Jahren gegen den damaligen Repräsentanten des Establishments, Jan Schütte. Ungewiss also, ob sie sich eine erneute Kandidatur antun würde. Hat als Kamerafrau von u.a. Rohmer, Godard, Klier Filmgeschichte geschrieben. Steht im besten Sinne für die Tradition des europäischen Autorenkinos. Kennt die Akademie und ihre Bedürfnisse in- und auswendig. Einzige Unsicherheit: Würde vielleicht mit dem dumpfbackigen Teil der bestehenden Strukturen aus langjähriger kollegialer Verbundenheit zu sanftmütig umgehen. Also Neubeginn ohne Tabula Rasa? Dennoch klare Favoritin.

LARS HENDRIK GASS – Woher dieses Gerücht wohl kommt? Der intellektuell sehr interessante aber als kommunikationstechnisch eher kapriziös geltende Oberhausen-Leiter hat beim Kandidaten-Vorsingen 2009 schlecht abgeschnitten und lästert seitdem durchaus mal auf Facebook über die dffb. Hat aber zumindest mit dem Ennui des deutschen Fernsehförderkinos nichts am Hut und würde den alten Filz sicher gründlich umkrempeln. Joker.

BELA TARR – Wohl unrealistischer Wunschtraum. Wurde 2009 als indiskutabel diskreditiert und gründete prompt in Sarajevo die beste Filmschule der Welt, die absolute Anti-These zum aktuell dominierenden mediokren Mief an der dffb. Trotz dieses Engagements heißt es, er habe mit dem Gedanken an eine erneute Kandidatur zumindest gespielt. Aber einen der größten lebenden Filmemacher möchte man sicher ohnehin lieber nicht Medienboarlin haben, weil woher nimmt man dann die neuen Tatort-Regisseure? Und wo sollen die alten Tatort-Regisseur dann noch unterrichten, vor allem wenn sie keinen Bock auf die Mitfahrgelegenheit bei Thomas Schadt haben?

PHILIPP BRÄUER – Bis vor kurzem künstlerischer Leiter des Filmfestivals Max Ophüls in Saarbrücken. Als solcher maßgeblich an der Propagierung der herrschenden tumben Anti-Ästhetik beteiligt. Gott sei Dank wohl zu jung und zu unbekannt für den Posten.

NICO HOFFMANN – Der Name allein versetzt die Akademie in Angst und Schrecken. Modell feindliche Übernahme (obwohl: alter Freund von Jan Schütte). Aber glücklicherweise sehr unwahrscheinlich: Wirklich zu gut im Geschäft! Braucht die 120.000 Euro Jahresgehalt wohl von allen Kandidaten am wenigsten.

FLORIAN KOERNER VON GUSTORF – Auch dem Ex-Punk (Minuspunkt beim Kuratorium) mit dem aristokratischen Namen (Pluspunkt beim Kuratorium) werden Ambitionen nachgesagt. Mittelfeld-Kandidat, der weder für Entsetzen noch für große Begeisterung sorgt. Schwer einzuschätzen. Absolventen-Produzent (Petzold, Schanelec) mit zahlreichen dffb-Seilschaften (spielte mit dem Tondozenten in der Band Mutter). Verspricht eher ein Berliner-Schule-Museum als einen radikalen Neuanfang.