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Samstag, 24. Dezember 2011

PRESSESPIEGEL III

 Frankfurter Allgemeine Zeitung

Unruhe an der dffb
Die Tradition des Politischen

Die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) ist eine Ausbildungsstätte mit einer besonderen Tradition. Dazu zählt wesentlich das Erbe von 1968. Damals wurde die Akademie von den Studierenden besetzt und nach dem sowjetischen Dokumentaristen Dziga Vertov neu benannt, damals wurde auch eine große Gruppe relegiert, darunter Harun Farocki und Hartmut Bitomsky. Eine bei allen Veränderungen bemerkenswerte Kontinuität des Arbeitens an dieser Ausbildungsstätte für Filmschaffende äußerte sich darin, dass Bitomsky 2006 zum neuen Rektor der dffb bestellt wurde. Drei Jahre später erklärte er seinen Rücktritt, nach internen Auseinandersetzungen, die auf massive Spannungen auch unter den Studierenden schließen ließen. Als Bitomskys Nachfolger wurde der eigentlich schon 2006 designierte Jan Schütte eingesetzt, mit dem sich nun die Ereignisse zu wiederholen scheinen. Vergangene Woche wurde ein Brief veröffentlicht, demzufolge „die StudentInnen der dffb beschlossen haben, sämtliche Organe der studentischen Mitbestimmung ersatzlos aufzulösen“. Dies als Reaktion darauf, dass Schütte die Mitbestimmung seit seinem Amtsantritt „in der Praxis“ schon abgeschafft habe. Schütte wiederum zieht die Repräsentativität des Schreibens in Zweifel: „Ich weiß nicht, ob das von fünf oder von zwanzig Studenten kommt“, sagte er dem Berliner Stadtmagazin „tip“. In dem Streit, der in seinen Konstellationen bis in die Zeit von Bitomskys Vorgänger Reinhard Hauff zurückreicht, geht es unausdrücklich, aber entscheidend um die Identität der dffb, die gerade in ihrer politischen (oder politisierenden) Tradition ein Alleinstellungsmerkmal hat, das heute eigentlich wieder leichter zu vermitteln sein müsste. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. So droht der dffb im Grunde mittelfristig eine Abwicklung durch Normalisierung – wenn sie demnächst von der HFF in Potsdam nicht mehr zu unterscheiden ist, gibt es keinen Grund mehr, in Berlin zwei Filmhochschulen zu unterhalten. Was dabei verloren gehen könnte, kann nur begreifen, wer bei Film an mehr als nur an Output denkt. breb.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.12.2011 Seite 31

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