Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Donnerstag, 9. Juni 2011

Die Akademie unter der Direktion von Hartmut Bitomsky

Nach dem Rücktritt von Reinhard Hauff kommt es 2005 zu massiven Protesten der Studentenschaft, als das Kuratorium den Filmemacher Jan Schütte ohne ordentliches Berufsverfahren als neuen Direktor einsetzen möchte. Das Kuratorium reagiert darauf mit einem Berufungsverfahren, in dem Hartmut Bitomsky von den Studenten mit großer Mehrheit gewünscht und schlussendlich auch eingesetzt wird. Jan Schütte hatte mit Hinweis auf sein Angebot aus Harvard auf eine ordentliche Bewerbung um die Position verzichtet.

2006 übernimmt Hartmut Bitomsky die Akademie. Unter ihm kommt Jochen Brunow als neuer Leiter für die Drehbuchakademie, Maximilian Müllner als Geschäftsleiter, ein neuer Produktionsfahrplan wird entwickelt und die digitale Postproduktion massiv ausgebaut.

Ende 2008 kommt es zu ersten Auseinandersetzungen, nachdem die Mischung eines Erstjahresfilms auf Grund von Überlänge verboten wird. Die Studentenschaft fordert eine drittelparitätische Entscheidung im AKA-Rat, was der Direktor jedoch ablehnt. Der Direktor einer Schule sei mit dem Regisseur eines Films vergleichbar. Er brauche eine uneingeschränkte Entscheidungskompetenz.

Im März 2009 entscheidet sich die Vollversammlung ein Stimmungsbild zur allgemeinen Zufriedenheit der Studentenschaft mit der Leitung der Schule anzufertigen. Die Resultate sind fatal und bewegen Hartmut Bitomsky zu einem Rücktrittsgesuch an das Kuratorium auf Ende April.

Am 7. April verfasst die Vollversammlung ein Schreiben, das Bitomsky um einen Verbleib an der Akademie bittet. Das Stimmungsbild sei nicht als Misstrauensvotum, sondern als Aufforderung zum Dialog zu verstehen. Man wolle die Zukunft der DFFB gemeinsam mit ihm als Direktor gestalten.

Das Kuratorium geht als Reaktion auf das Schreiben nicht auf das Rücktrittsgesuch ein. Man halte an Bitomsky als Direktoren fest. Dieser ist bereit zu bleiben, will jedoch an seiner absoluten Entscheidungsvollmacht festhalten.

Am 12. Mai findet eine Aussprache zwischen der Kuratoriumsvorsitzenden Barbara Kisseler und der Studentenschaft zu drittelparitätischen Entscheidungsfindungen im AKA-Rat statt. Frau Kisseler unterstützt in diesem Gespräch den Wunsch der Studentenschaft nach Partizipation.

Nach einer weiteren Kuratoriumssitzung gibt Hartmut Bitomsky seinen Rücktritt - aus offiziell gesundheitlichen Gründen - auf Ende des Studienjahrs bekannt. Das Tagesgeschäft wird von der Interimsleitung Bodo Knappheide und Maximilan Müllner übernommen.

Das Berufungsverfahren

Ende 2009 wird das Berufungsverfahren um die Neubesetzung des Direktorenpostens von einer Kommission bestehend aus vier Professoren der UdK, einem Mitglied des Kuratoriums der dffb sowie einem Vertreter der Dozentenschaft der dffb (Marin Martschewski), einem Studenten der UdK und einem Vertreter der Studentenschaft der dffb (Christoph Wermke) aufgenommen. Die Chefin der Senatskanzlei, Barbara Kisseler, ist nicht als Vorsitzende des Kuratoriums der dffb, sondern als Honorar-Professorin der FH Potsdam an dem Verfahren beteiligt.

Im November 2009 präsentieren vier KandidatInnen ihre Konzepte vor der Akademie. Die Studentenschaft erhält die Möglichkeit, die Berufungskommission durch eine Abstimmung in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen.

1. Sophie Maintigneux 49,2% 64 Stimmen
2. Bela Tarr 27,7% 36 Stimmen
3. Jan Schütte 18,5% 24 Stimmen
4. Dr. Lars Henrik Gass 4,6% 6 Stimmen

Ende Januar 2010 geht das Gerücht um, die UdK hätte das Verfahren abgebrochen und an das Kuratorium übergeben. Es gibt keine offizielle Bestätigung dieser Meldung.

Am 26. Januar sendet die Vollversammlung eine Nachricht mit der Bitte an die Kuratoriumsvorsitzende Barbara Kisseler, über das weitere Vorgehen informiert und auf jeden Fall in den Entscheidungsprozess – wie auch immer er aussehen mag - miteinbezogen zu werden.

Am Nachmittag des 19. Februar wird die Studentenschaft darüber informiert, dass am gleichen Tag das Kuratorium in der Akademie zusammentreffen und über das weitere Vorgehen beraten wird. Die Beteiligung oder Anhörung von Studentenvertretern ist dabei nicht vorgesehen. Geleitet wird die Sitzung von der Kuratoriumsvorsitzenden Barbara Kisseler.

Am 20. Februar 2010 wendet sich die Studentenvertretung in einem offenen Brief an den Bürgermeister Klaus Wowereit. Darin wird festgehalten, dass die Studentenschaft nicht in den Entscheidungsprozess miteinbezogen wird und deshalb das Resultat - unabhängig vom Ausgang - nicht akzeptieren will.

Am 21. Februar wird durch Maximilian Müllner vor der Studentenschaft die Entscheidung des Kuratoriums für Jan Schütte bekannt gegeben.

In eine Ur-Abstimmung entschließt sich die Studentenschaft zum Streik. Gegen den untransparenten Berufungsvorgang sowie für Sophie Maintigneux, die trotz der fragwürdigen Entscheidungsfindung der Akademie mindestens als Dozentin erhalten bleiben solle. Der Streik wird nach einem zögerlichen Start auf den „sogenannten Streik“ umgetauft und beschränkt sich in erster Linie auf den Kontakt mit Medien und Politik.

14. März 2010 - CARGO ONLINE
In der Tat wäre Schütte - schon gar, wenn man die Kamerafrau Sophie Maintigneux als viel überzeugendere Gegenkandidatin im Vergleich dazu sieht - wohl eine Katastrophe. Eine, die sich bestens ins Bild fügt, das die deutsche Film- und Filmförderbürokratie seit vielen Jahren abgibt. Die DFFB als, so weit ich sehe, letzte noch halbwegs für ästhetisch anspruchsvolles Filmemachen offene Institution, soll nun den Weg der sozialdemokratisch inspirierten Verlangweiligung durch totales Mittelmaß gehen. - Ekkehard Knörrer

Sophie Maintigneux gibt bekannt, dass sie unter drei Bedingungen an der Akademie verbleiben will;
1. Sie soll zur alleinigen Verantwortlichen des Kameradepartements ernannt werden.
2. Dazu braucht sie einen Vollzeitvertrag.
3. Die Auswahlkommission der jeweils neuen Jahrgänge soll nicht nur eine beratende, sondern auch eine entscheidende Funktion erhalten.

Die von den Studenten geforderte sofortige Aussprache lehnt Jan Schütte in einem Brief vom 19. März mit Verweis auf seine Lehrtätigkeit in Harvard ab. Es gehe bei der DFFB um „die Existenz einer renommierten Einrichtung unter starker Konkurrenz“, weshalb er es für „unklug und kurzsichtig“ halte, die Position der Streikenden an die Presse zu tragen. Bei einem so langen Findungsprozess sei es nur natürlich, dass sich unter den Studenten Fraktionen für verschiedene Kandidaten entwickelt hätten, weshalb er die Proteste nicht persönlich nehme. Zu den Forderungen von Sophie Maintigneux äußert er sich nicht.

Am 24. März findet eine erneute Aussprache zwischen der kuratoriumsvorsitzenden Senatorin Barbara Kisseler und den Studenten zu den Protesten der Studentenschaft statt.

Alice Ströver (Grüne) an Wowereit:
Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass die getroffene Personalentscheidung auf die Ablehnung der Studierenden gestoßen ist und fast alle Dozenten der DFFB sich für eine andere Kandidatin ausgesprochen haben (...)?

OT Wowereit
Hinsichtlich der Positionierung der Lehrkräfte liegt keine Äusserung vor. (...) Das Gespräch mit den Studenten hat ergeben, dass man sich zwar über das Verfahren unterhalten hat, es aber keinen Konsens gegeben hat. Es wird weiterhin ein Dissens vorhanden sein. Die Studentinnen und Studenten sehen den Sachverhalt offensichtlich anders.

6. April 2010 - TAZ
Nachdem eine Kommission der Universität der Künste sich über die Nachfolge des Direktors Hartmut Bitomsky nicht einig wurde, übernahm das wirtschaftsnahe Kuratorium der dffb das Verfahren. Dessen Wahl fiel gegen den Willen der meisten Studierenden auf Jan Schütte, ein für ästhetische Anschmiegsamkeit und an den Bedürfnissen der Filmförderung entlang produzierte Filme bekannter Regie-Routinier, den man eher mit der professionellen Handwerkslehre in Ausbildungsstätten wie Ludwigsburg verbindet.


13. April 2010 - Süddeutsche Zeitung
Jan Schütte steht mit Filmen wie „Drachenfutter”, (...) für ein etabliertes, filmförderungsgestütztes Gremien-Kino – und ist damit wohl tatsächlich nicht das beste Aushängeschild für die dffb mit ihrer Tradition sperriger, politischer Filme, zuletzt war hier die Berliner Schule um Christian Petzold, Angela Schanelec und Thomas Arslan entstanden.


Die Akademie unter der Direktion von Jan Schütte

Seit September 2010 ist Jan Schütte Direktor der DFFB.

In einem Gespräch mit Sophie Maintigneux stellt er klar, dass er auf ihre Forderungen nicht eingehen, ihr jedoch den Halbzeitvertrag um ein weiteres Jahr verlängern könne. Sie nimmt das Angebot an.

Am 21. März veröffentlicht die Studentenvertretung eine Petition mit 110 Unterzeichner für den Verbleib der festangestellten DozentInnen Sophie Maintigneux, Marin Martschewski und Michael Bertel.

Am 4. April werden die Studenten per Mail über personelle Veränderungen informiert. Marin Martschewski werde im Oktober seinen 65. Geburtstag feiern und somit in den tarifvertraglich geregelten Ruhestand treten. Das werde von der Senatskanzlei ausnahmslos so gehandhabt. Eine freie Weiterbeschäftigung sei durch seine Position als leitender Angestellter nicht möglich. Man habe das in einem Gespräch mit Marin Martschweski einvernehmlich so besprochen. Die Direktion schliesse sich „der in der studentischen Petition ausgedrückten Dankbarkeit und Verbundenheit der Studenten an“ und danke ihm für sein Engagement.

Über die neue Produktionsdozentur sollen die Studenten nach der Vertragsunterzeichnung informiert werden.

Nachforschungen von Seiten der Studentenvertretung haben ergeben, dass Marin Martschewski entgegen der Darstellung der Direktion durchaus ein Interesse an einem Verbleib an der Schule hat und sich bereits vor der Kommunikation an die Studenten klar von der Formulierung der „einvernehmlichen Besprechung“ distanziert hat.

In einem Brief an den vertretenden Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Reupke und die Kulturabgeordneten der Parteien vom 12. April 2011 verweist die Vollversammlung auf die Petition vom 21. März.

Jan Schütte will den AKA-Rat nicht mehr allen Studenten zugänglich machen, da die Diskussion mit den anwesenden Studenten die Produktivität vermindern würden. Einen Aka-Rat, in dem Studenten als Zuschauer ohne Rederecht anwesend sind, ist für ihn auch keine Option.

In einem Gespräch mit der Studentenvertretung korrigiert Jan Schütte seine ursprüngliche Darstellung dahingehend, dass er keine Weiterbeschäftigung von Marin Martschewski wünsche. Ein beliebter alter Dozent wäre kontraproduktiv für die Arbeit des Neuen. Der Direktor fühlt sich außerdem durch den Brief der Studenten vom 12. April hintergangen. Man hätte ihn informieren müssen. Andere Direktionen würden die Studentenvertreter nach solchen Vorkommnissen exmatrikulieren, er tue das aber nicht. Eine von ihm vorgeschlagene Hausversammlung will er nicht mehr durchführen. Er sei jedoch bereit in einer Vollversammlung zu erscheinen.

Ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Jurist stellt klar, dass keine Klausel existiere, die eine freie Anstellung nach einer Position als leitender Angestellter verunmöglichen würde, dass im Gegenteil eine freie Weiterbeschäftigung von Professoren sogar die Norm darstelle und im Falle laufender, durch diesen Dozenten/ Professoren betreuter Projekte sogar einklagbar sei. Marin Martschewski betreut auch in diesem Jahr die Zweitjahresprojekte, die frühestens Ende des Kalenderjahres abgeschlossen werden.